Medienarchiv

Artist of the Week – Gary Odd

Public Republic, 2016-11-21 / 2017-02-26 / 2017-03-06

http://www.public-republic.net/artist-of-the-week-gary-odd/#more-25470

Ulpi hat Freunde von Tokio bis Amsterdam

Kölner Stadt-Anzeiger, Henning Hoff

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Es war einmal in der Schweiz ein Junge namens Gary, der schrieb und zeichnete gern. Als er etwas älter war, machte er Musik in der Punk-Band »Abgas«, entwarf Fan-Zeitschriften mit wildem Layout und kam viel herum in der Welt. Kurz- und Trickfilme drehte er, und dann kam ihm eine neue Idee: Er zeichnete und textete kleine Märchen, reiste herum und verkaufte sie in aller Herren Länder. Und da ihn weder der böse Wolf gefressen noch die fiese Stiefmutter mit einem Apfel vergiftet hat, schreibt und verkauft er sie noch heute – zur Zeit in Köln.

Abends in den Kölner Kneipen verursacht Gary mit kunterbunter Baseballmütze und wehendem Sommermantel immer wieder verwundertes Augenwischen. Wie, nicht für eine rote Rose soll man nach Kleingeld kramen, sondern für ein Märchen? Verwunderung, lachen – doch meistens verfängt die ungewöhnliche Idee, und eine von Garys quadratischen Bildergeschichten wechselt den Besitzer. Ein Aussteiger sei er nicht, erklärte Gary Odd augenzwinkernd, denn: »Ich bin ja nie eingestiegen.« Ein Künstler? »Nein, eher ein Self-Made-Man oder ein Kind, das spielt.« Ein bis zwei neue Märchen entstehen pro Jahr. Gedruckt werden sie da, wo sich der Schweizer gerade aufhält. Die Ideen stammen »aus dem Leben, wie ich es sehe«. Ulpi heisst seine Lieblingsfigur, ein pfiffiger Junge mit wuscheligem Haar, der in einem der Märchen das Glück im Unglück hat, dass Krokodile all seine Schweine verschlingen, sich dann die Kroko-Taschen aber gut verkaufen lassen. Fürs »Märchen-Machen« gibt's kein Patentrezept: »Es kann auch mal sein, dass mir lange Zeit nichts einfällt.« Viel wichtiger sei es, unterwegs zu sein.

Das ist in den letzten Jahren geglückt. Nicht nur die Kölner blättern sich durch die gestrichelten Geschichten. In Hamburg und in Süddeutschland, in Amsterdam, Paris und Rom, in Amerika, Thailand und Indonesien haben Ulpi, das kleine Dreieck oder der kleine Mann ihre Freunde gefunden. Die Märchen sind offenbar ebenso international wie ihr Autor. Zuweilen hat die Lektüre sogar einen pädagogischen Effekt. In Thailand nahm ein Lehrer gleich einen ganzen Packen ab, um die zweisprachig abgefassten Geschichten im Englischunterricht zu verwenden.

Die Fangemeinde wächst. In Berlin-Kreuzberg ist Ulpi bereits eine kleine Kultfigur. Auch in Köln steigt der Bekanntheitsgrad. Zeit also für den nächsten Wechsel. Bald geht es wieder in die USA, die Pazifikküste rauf und runter. Das Reisen ist übrigens nicht immer einfach. Als auf dem New Yorker Flughafen einmal eine Dame vom Zoll Garys Koffer öffnete und märchenhaften Inhalt begutachtete, musste Gary Überzeugungsarbeit leisten, damit der Koffer nicht konfisziert wurde. Mit Erfolg: Die Zöllnerin fand die Idee witzig, klappte den Deckel zu und wünschte: »Good Luck!«.